Alles fake! Uns werden falsche Werte angedreht

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Unsere Motivation gründet auf Werten. Totalitäre und konformistische Gesellschaften haben eines gemeinsam: Sie benutzen falsche Werte, um das Denken und Verhalten von Menschen zu steuern. Wie kann man dem Gruppendruck entgehen und selbstbestimmt leben?

Wer bestimmt unsere Werte?

Die moderne Motivationsforschung hilft uns, zu klären, woher wir unsere Werte beziehen. Einer der einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts, Gordon Allport, unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation.

Intrinsische Werte kommen laut Allport von innen heraus. Sie werden nicht einfach erfunden, sondern gewählt, weil sie bereits einen Wert an sich darstellen und nach reiflicher Erwägung für wahr und gut befunden wurden. Wer intrinsisch motiviert ist, versucht die Werte, die er verinnerlicht hat, auch konsequent im eigenen Handeln umzusetzen. Er denkt nicht darüber nach, was es ihm bringt oder welche Belohnung er dafür bekommt.

Extrinsische Werte hingegen sind oberflächlich übernommene Ideale und Normen. Extrinsisch Motivierte sind nicht innerlich von diesen Werten überzeugt. Durch die Übernahme dieser Werte können sie aber auf opportunistische Weise Lob, Anerkennung und Status bekommen. Das ist selbst dann der Fall, wenn diese Werte an und für sich echte Werte sind. Sie werden aber weder ernst genommen noch verinnerlicht, sondern können schnell ausgetauscht werden, wenn der Wind sich dreht. Es handelt sich daher um „Pseudo-Werte“: Sie werden angestrebt, nicht um ein besserer Mensch zu werden, sondern um als ein besserer Mensch zu erscheinen.

Pseudo-Werte und Konformismus

Das Überhandnehmen von Pseudo-Werten ist charakteristisch für totalitäre Gesellschaften. So strotzte etwa die DDR vor sozialistischer Tugendhaftigkeit, nicht nur innerhalb der Bevölkerung, sondern vor allem in den Reihen der Regime-Funktionäre. Während die einfachen Menschen aus Angst die Parolen des Staates hochhielten, taten es die Parteibonzen aus Machtgier.  

Häufig werden extrinsische Werte aus dem bloßen Bedürfnis, dazuzugehören, angenommen . Natürlich ist der Inhalt des Wertes dann nicht mehr ausschlaggebend, sondern nur, dass die Medien oder die Politik gerade diesen Wert mit Belohnung (Gratifikation) verknüpft. Wer sich heute „politisch korrekt“ verhalten möchte, muss sich beinahe Mühe geben, um mit den Trends mitzuhalten: ständig neue Sprachverbote oder -gebote, „woke“ Empörungsbereitschaft, Hasskampagnen und „Cancel Culture“ (Zensurkultur), um nur einige der gängigsten zu nennen. Pseudo-Werte eignen sich für die lustvolle Manipulation der Massen. Damit ist häufig ein Zugewinn an Macht, Einfluss und Gewinn verbunden.

Aber es sind nicht nur totalitäre Regierungen oder korrupte Unternehmen, die Pseudo-Werte gezielt einsetzen. Durch das Internet haben sich neue Dynamiken des Gruppendrucks entwickelt. Die Generation Smartphone leidet heute unter einer nie dagewesenen mentalen Gesundheitskrise. Diese stille Epidemie ist die Folge von einem Leben, das weitgehend durch Social Media fremdbestimmt wird. Erprobte Werte wie Liebe, Gemeinschaft, Familie oder Glauben werden mit billigen und konformen, aber zutiefst unbefriedigenden Pseudo-Werten ersetzt:

Liebe? „Ach, Monogamie ist doch so was von altmodisch.“

Familie? „Aus Rücksicht auf das Klima werde ich sicher keine Kinder in die Welt setzen.“

Gemeinschaft? „Wieso? Ich habe doch genug Freunde online.“

Glauben? „Meine Eltern sind naive Fundamentalisten. Übrigens, was ist eigentlich dein Sternzeichen?“

Selbstbestimmt leben

Wenn wir unser Leben fremdsteuern lassen, bilden unsere Werte eine gleichgültige Knetmasse, die je nach Nutzen beliebig geformt werden können. Es ist aber die Verbindung zu unseren innersten Werten, die wir zur Entwicklung einer selbstbestimmten Persönlichkeit benötigen. Die Fremdsteuerung verkrümmt zuerst unseren Willen, dann die Werte, und zum Schluss das ganze Herz. Unser Herz, das natürlicherweise auf etwas Höheres verweist, verweist stattdessen auf sich selbst zurück. Zirkelschluss. Kurzschluss. Ende. Die Folge ist heimliches Leiden am sinnlosen Leben.

Psychologisch gesehen sind Konformismus und Totalitarismus eng verwandt. In seinem Grundlagenwerk Ärztliche Seelsorge erklärt Viktor Frankl, dass diese Gesellschaftsformen dort entstehen, wo unser geistiges Immunsystem ausgeschaltet wird:

„Wird das Gewissen systematisch und methodisch unterdrückt und erstickt, dann kommt es entweder zum westlichen Konformismus oder zum östlichen Totalitarismus – je nachdem, ob die von der Gesellschaft übertrieben verallgemeinerten „Werte“ einem angeboten oder aber aufgezwungen werden.“

Viktor Frankl, Ärtzliche Seelsorge (1946)

Frankl definierte das Gewissen als „Sinn-Organ“, also die intuitive Fähigkeit, den hinter jeder Situation verborgenen Sinn aufzuspüren. Auch wenn unser Gewissen „Sinn-Täuschungen“ unterliegen mag und in vielen Fragen im Ungewissen bleibt, ist es das Risiko wert, der Stimme des Gewissens zu horchen. Oder wie es Gordon Allport formulierte: „Wir können gleichzeitig halb sicher und mit ganzem Herzen engagiert sein.“ Selbstbestimmt und frei ist, wer aus dem Herzen heraus lebt.

Bildquellen
cottonbro studio, https://www.pexels.com/photo/group-of-people-in-white-shirts-8088443/
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