Entfremdet und verloren: Das ist das moderne Lebensgefühl. Eine glückliche Partnerschaft, ein erfüllender Beruf und ein reines Gewissen: solche Ideale sind heute fast gleichbedeutend mit purem Luxus. Aber es sind bei weitem nicht nur Menschen, denen es an Geld, Macht und Ruhm mangelt, die sich nach einer inneren Heimat sehnen. Denn im Leben anzukommen ist nicht primär eine Frage der materiellen Mittel. Die Reichen und Schönen – erfolgreiche Unternehmer, gefeierte Künstler, angesehene Intellektuelle und hochrangige Politiker – sind genauso sehr von der Frage geplagt, wie man seinen richtigen Platz findet. Dr. Raphael Bonellis Buch Die Kunst des Ankommens nähert sich diesem Problem aus psychologischer Sicht.
Entfremdung: Eine psychologische Stichprobe
Das Gefühl „lost“ – also verloren – zu sein, ist heute allgegenwärtig. Dennoch ist das Thema „Ankommen“ psychologisch noch kaum erforscht.
Mit einem YouTube-Aufruf vom 18. Juli 2024 bat Dr. Bonelli seine Zuseherschaft um persönliche Geschichten rund um das Thema „Ankommen“. In den Rückmeldungen fielen immer wieder Selbstbeschreibungen wie rastlos, entwurzelt, zerrissen und heimatlos. Häufig erwähnt wurde die Enttäuschung über gescheiterte Beziehungen, ein Gefühl der ständigen Unruhe, die Suche nach dem nächsten Kick sowie das Vermissen von wahrer Nähe und Geborgenheit. Diese emotionalen Farbkleckse zeichnen ein erstes, intuitives Bauchgefühl des „Nicht-angekommen-Seins“.
Die Grundstimmung vieler Menschen ist, dass man sich nirgendwo wirklich dazugehörig fühlt. Konkret wird der Zustand der inneren Heimatlosigkeit in unterschiedlichsten Fällen. Nur um einige Beispiele zu nennen:
- Ein 45-jährigen Familienvater namens Christoph, der seinem 8-jährigen Sohn keine emotionale Zuwendung schenken kann und sich so von ihm entfremdet. Es gelingt ihm nicht, sich in seine Rolle als Vater einzufinden.
- Julia, eine 41-Jährige, die trotz Studium und vielseitiger Berufserfahrungen die lang ersehnte Selbstständigkeit nicht erreicht hat. Sie ist enttäuscht, dass ihre Kompetenzen für Fremdsprachen sowie ihr heilpraktisches Wissen am Markt kaum gebraucht werden.
- Der 70-jährige Ludwig hat eine erfolgreiche Karriere als Arzt hinter sich sowie drei Ehen. Er ist bis heute davon überzeugt, dass die Frauen an seinen drei Scheidungen schuld waren, weil sie ihn ständig für seine berufsbedingte Abwesenheit kritisierten. Sein Leben lang hat er sich nach einer harmonischen Familie gesehnt, aber für sein Fremdgehen macht er andere verantwortlich.
- Die 34-jährige Lara sucht seit vielen Jahren vergeblich nach dem Sinn des Lebens. Sie wurde zwar katholisch erzogen, hat aber mit der Kirche nichts mehr am Hut. Trotz ihrer Gebete ist ihre Mutter vor fünf Jahren an Brustkrebs verstorben. Daraufhin hat sie mit Gott Schluss gemacht. Eine spirituelle Odyssee führte sie zu Esoterik, Astrologie und Reinkarnation. Mehrere Jahre hat Lara zigtausende Euro für Kurse und Seminare ausgegeben, befindet sich aber noch immer auf der Suche.
Skandale sind interessanter als Ankommen
Es ist viel leichter, Beispiele für das Nicht-Ankommen zusammenzutragen als für das Ankommen. Das liegt in der Natur der Sache. Medien lenken lieber den Blick auf Skandale und gescheiterte Existenzen. Das Leid anderer stiftet in der Masse eine vermeintliche Sicherheit und die Selbstgewissheit, dass man selbst viel besser dasteht als andere. Der Ankgekommene hingegen eignet sich nicht für Klatsch und Tratsch, denn er legt keinen Wert darauf, im Rampenlicht zu stehen und Applaus zu bekommen. Sein Leben taugt nicht für die große Inszenierung.
Angekommene wirken zunächst unscheinbar. Es ist von außen oft nicht so genau auszumachen, ob jemand angekommen ist. Ankommen ist ein langwieriger Prozess, der viel Ausdauer verlangt. Ankommen ist kein einziger Moment. In der Regel lässt sich das Ankommen erst in der Rückschau feststellen. (Erfolgsgeschichten von Angekommenen finden Sie in Dr. Bonellis Buch Die Kunst des Ankommens.)
Angekommene haben aber ein Merkmal, das besonders in Zeiten der Massenhysterie und des Mitläufertums zur Geltung kommt: Sie kennen genau ihre Werte und Prinzipien. Sie würden diese nicht verraten, nur um dazuzugehören. Sie wehen nicht im Zeitgeist hin und her wie ein Grashalm im Wind. Daher werden Angekommene – sofern sie öffentlich wahrgenommen werden – als Störenfriede, Querulanten und Querdenker gebrandmarkt. Aber das ändert wenig an ihrer Haltung. Sie bleiben ihrer Überzeugung treu und deswegen wirken sie auf ihr persönliches Umfeld klar, authentisch und gelassen. Angekommene sind Charaktermenschen.
Den inneren Anker finden
Was können ein Toilettenreiniger aus Tokio, eine querschnittsgelähmte junge Dame, ein Ex-Fußballprofi und ein für Jugendliche engagiertes Ehepaar gemeinsam haben? Sie haben ihren Weg gefunden. Dr. Bonelli diskutiert diese und andere Lebensgeschichten eingehend in seinem neuen Buch. Diese Menschen gehen bescheiden ihre Wege. Trotz ihrer individuellen Herausforderungen leben sie in Harmonie mit sich selbst und ihrem Umfeld. Beim Ankommen geht es weniger darum, was wir wollen, sondern vor allem um die weitaus schwierigere Frage, was wir sollen. Oder wie es Viktor Frankl sagte: „Sinn muss gefunden werden, er kann nicht erzeugt werden.“
Nach der Existenzanalyse ist der Lebenssinn nicht etwas, das wir völlig frei erfinden können, sondern etwas Objektives. Es liegt an uns, ihn zu finden. Ein entscheidender Wegweiser ist hierbei die intuitive Wahrnehmung einer Bestimmung oder eines Rufes, einer bestimmten Tätigkeit nachzugehen. Das Wort „Berufung“ kommt ursprünglich aus dem religiösen Kontext, wo der „Ruf Gottes“ erfahren wurde. Eine Berufung kann aber auch in anderen Lebensbereichen erfahren werden, wie etwa im sozialen Engagement oder in einer künstlerischen Aktivität. Im Unterschied zum Beruf geht es bei der Berufung nicht primär um finanzielle Sicherheit, sondern um eine Tätigkeit, die tief mit den eigenen Werten, Talenten und Leidenschaften verbunden ist.
Ankommen ist das Gegenteil von Entfremdung. Es ist die Gewissheit, dass man jederzeit in einem sicheren Hafen andocken kann. Wer einen inneren Anker hat, erträgt die Stürme der Zeit. Erfahren Sie im Buch Die Kunst des Ankommens mehr darüber, wie es Menschen gelungen ist, ihre persönliche Berufung zu finden und ihr Leben mit Sinn und Zweck zu erfüllen.