Erstickte Sehnsucht: Wenn die Seele wie gefesselt ist

  • Redaktion
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In der geschützten Intimität der Psychotherapie bricht ein Thema immer öfter auf: Die Suche nach dem Ankommen. Unter der Hektik des Alltags schlummert eine leise Ahnung, dass das Leben an einem vorbeizieht. Eine innere Sehnsucht signalisiert uns, dass unsere persönliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Doch wie findet man seine wahre Bestimmung?

Ein Aufschrei der Seele

Irgendwas stimmt nicht mit mir, denken sich viele Menschen bevor sie den Weg zum Psychotherapeuten aufsuchen. Häufig äußern sie in den Sitzungen eine verborgene, lange verschwiegene Sehnsucht – manchmal unter Tränen. „Ich will doch einfach nur ankommen…,“ sagen sie. Oder: „Ich habe meinen Platz noch nicht gefunden…“. Oder: „Herr Doktor, ich fühle mich wie im falschen Film…“. Oder: „Da muss es doch mehr geben…“.

Solche Aussagen sind ein Aufschrei der Seele. Handelt es sich hierbei nur um unrealistische Träumereien von einem anderen Leben? Oder verbirgt sich hinter diesen Bemerkungen ein echtes Bedürfnis? Was verbindet man mit der Sehnsucht nach dem Ankommen? Geht es um ein noch schöneres und erfolgreiches Leben? Oder signalisiert sie eine tiefe, innere Leere? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Dr. Bonellis neues Buch Die Kunst des Ankommens.

„Ich möchte ankommen.“ An diesem Satz fällt auf, dass das Ziel nicht ausgesprochen ist. Die Frage, wo man ankommen möchte, ist vielleicht gar nicht so wichtig. Hauptsache mal ankommen und festen Boden unter den Füßen spüren. Oder aber das große Ziel ist einem noch nicht bewusst, auch wenn man eine stille Ahnung verspürt, dass das Leben mehr zu bieten hat. Man strebt nach einem Zustand, den man vielleicht „innere Heimat“ nennen könnte. Es ist die Vermutung, dass es irgendwo eine Quelle gibt, aus der sich Geborgenheit, Kraft und Zuversicht schöpfen lässt. Es ist das zufriedene Herz, das sich aus einem erfüllten Leben ergibt und mit Gelassenheit in die Zukunft blickt.

Ankommen ist also mehr als ein bloßes Gefühl. Ankommen ist ein Bild für das gelungene Leben. Ein Leben, das von Sinnhaftigkeit geprägt ist und das man in vollen Zügen genießen kann.

Befreiung von äußeren und inneren Fesseln

Was hindert uns daran, unser echtes Leben zu führen? Zum einen sind da äußere Zwänge und Beengungen: Festhalten an vermeintlichen materiellen Sicherheiten. Erwartungen von anderen, wie wir zu sein und zu denken haben. Das Schwimmen mit dem Strom und das Blöken mit der Herde: möglichst angepasst bleiben und bloß nicht auffallen, indem man etwa seine eigene Wahrheit lebt.

Zum anderen sind da die inneren Blockaden: Alte Vorstellungen über sich selbst, die sich tief in unser Denken eingeprägt haben, aber längst nicht mehr zutreffen. Oder Glaubenssätze, die wir seit unserer Kindheit mit uns schleppen, wie z. B. „du bist zu dumm dafür“ oder „das schaffst du nie“. Oder es wurde uns eingetrichtert, wie man es zu Anerkennung, Erfolg und Ruhm bringt. Diesen Weg sind wir all die Jahre brav gegangen, aber wir haben dabei unsere eigensten Lebensziele aus den Augen verloren. 

Die Sehnsucht nach Ewigkeit

Interessanterweise geht es beim Ankommen nicht darum, mehr zu leisten, mehr zu erreichen und mehr zu haben. Der Versuch, andere in irgendetwas zu übertreffen, spielt hier keine Rolle. Ankommen bedeutet, mit sich selbst im Reinen zu sein. Es ist die Entfaltung der in sich angelegten Talente und Begabungen, ganz ohne den Druck des Wettbewerbs und des materiellen Vergleichs. Ankommen heißt, wegzukommen vom Gefühl der Getriebenheit. Man kann die hektische Seite des Lebens zurücklassen und in ruhigeren Fahrwassern fahren.  

Wenn man so möchte, ist das Streben nach Ankommen die Suche nach einem Ziel, das man nicht genau kennt, das sich aber anfühlt, wie ein Stück Heimat. Aus psychologischer Sicht bedeutet diese Sehnsucht, der Wunsch nach einer heilen Welt, nach Beständigkeit, Dauer und einem Zustand der Freiheit von Schwankungen und Unsicherheiten. Religiös gedeutet ist Ankommen die Sehnsucht nach innerem Frieden, Zeitlosigkeit und Ewigkeit.

Ankommen ist nicht mit der letzten Ruhe zu verwechseln, aber es heißt, ein Stück Himmelreich in sich zu tragen. Ankommen bedeutet Verbundenheit: Man lebt eingebunden mit dem Ganzen, also im Einklang mit seinem äußeren Umfeld und dem Göttlichen.

Jeder Mensch kann ankommen. Manchmal hilft ein Impuls in die richtige Richtung. Der Weg zum erfüllten Leben ist für jeden Menschen individuell verschieden. Dennoch sind die Schwierigkeiten oft sehr ähnlich. Dr. Bonelli bespricht in seinem Buch Die Kunst des Ankommens zwölf typische Hindernisse auf dem Lebensweg und wie man sie überwindet.  

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RPP / Canva.com
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