Hören Sie nicht auf Ihr Herz!

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Es ist ein weit verbreitetes Klischee, dass der Mensch „auf sein Herz hören“ müsse. Dr. Raphael Bonelli warnt davor, das zu tun. Nur wenn das psychologische Herz gesund ist, sollte man auch darauf hören. Wenn es krank ist, muss das Herz zuerst heilen und gestärkt werden. Erfahren Sie, wie man den Unterschied zwischen einem kranken und einem gesunden Herzen erkennt. 

Auf das Herz hören?

In der Beratung vertreten viele Patienten die Meinung, man müsse „auf sein Herz hören“. Mit solchen klischeehaften Sinnbildern muss man jedoch vorsichtig sein. Das Herz ist – psychologisch gesehen – das zentrale Entscheidungsorgan des Menschen. Das Herz kann sich für das Gute und genauso für das Böse entscheiden. Dementsprechend ist es nicht immer ratsam, auf sein Herz zu hören. Das Herz muss zuerst heilen bevor wir ihm vertrauen können.

Laut Dr. Bonelli kann das Herz drei verschiedene Zustände haben: Es ist entweder verschlossen, schwach oder offen. Das verschlossene Herz ist krank. Es kreist nur um sich selbst. Das typische Symptom des verschlossenen Herzens ist der Narzissmus. Narzissmus ist in der philosophischen oder religiösen Literatur als „Hochmut“ geläufig. Je mehr ein Mensch sein eigenes Ego in den Mittelpunkt stellt, umso weniger ist er offen für die Wahrheit und das Gute. Das verstockte oder verschlossene Herz interessiert nur, was ihm gerade nützlich erscheint. Der Mensch mit dem verstockten Herzen rechtfertigt zum Beispiel eine Affäre indem er seine Verantwortung leugnet. Die Schuld wird allein dem Partner zugeschrieben. Schließlich habe ihn der Partner ja so schlecht behandelt. Der Partner habe ihm zu wenig Liebe geschenkt, worauf er ja schließlich sein gutes Recht hätte. Aus dem Grund „musste“ die außereheliche Geliebte einspringen.

Ein Mensch mit einem schwachen Herzen versteht prinzipiell was gut und richtig ist. Aber er kann sich nicht gegen die Bauchgefühle, also Lust und Unlust, durchsetzen. Er weiß, zum Beispiel, dass er in der Früh aufstehen soll, kann sich aber nicht überwinden. Die Lust weiter zu schlafen ist einfach größer als seine höheren Ziele. (Depression ist in vielen Fällen die Folge von einem schwachen Herzen.) Notorische Lügner haben ebenfalls ein schwaches Herz. Sie meinen, Notlügen zu benötigen, denn ihnen fehlt der Mut zur Wahrheit.

Während das verstockte Herz die Schuld nur bei anderen sieht, hat das schwache Herz noch einen Sinn für das selbst begangene Unrecht. Nur das offene und starke Herz ist in der Lage, die eigenen Werte und Erkenntnisse umzusetzen. 

Das Herz stärken

Im Grunde ist unser Herz stets irgendwo zwischen schwach und stark. Selbst Menschen, die an ihrer persönlichen Entwicklung aktiv arbeiten, schwanken zwischen guten und falschen Entscheidungen. Niemand macht ständig alles richtig. Wer sich aber weigert, zu wachsen, läuft Gefahr sein Herz verstocken zu lassen. Er ist dann nicht mehr offen dafür, sich selbst zu verbessern.

Um stärker zu werden, braucht das Herz Werte. Viele Psychiater und Psychotherapeuten sind noch immer der irrigen Meinung, psychologische Modelle müssten unbedingt wertneutral sein. Viktor Frankl sah das anders. Jeder Mensch braucht Werte, um sich im Leben orientieren zu können. Ansonsten wird er nur zum Opfer körperlicher Begierden, der Lust auf Macht oder der Manipulation durch andere.

Werte sind nicht einfach nur Produkte unserer Phantasie. Sofern es sich um hohe Werte handelt, können sie über Kulturen und Epochen hinweg objektiv gültig sein.  Werte lassen sich also entdecken, pflegen und bewahren. Gute Werte stärken das Herz, denn sie stiften Lebenssinn und Orientierung.

10 Werte für ein kräftiges Herz

Ein Schlüssel zu einem erfüllten Leben sind die sogenannten Transzendentalien. Diese sind das Wahre, Schöne und Gute. Es sind erhabene Werte, die unseren eigenen Selbstzweck weit übersteigen. Viktor Frankl prägte den Begriff der Selbsttranszendenz. Diese bezeichnet den Prozess der Selbstverwirklichung durch die Orientierung an Werten, die außerhalb des Menschen selbst liegen. In anderen Worten, unser Lebenssinn erschöpft sich nicht in unseren Befindlichkeiten und Lüsten, sondern in etwas, das unsere menschliche Existenz übersteigt.

Gerade weil sie so abstrakt sind, sind die Transzendentalien therapeutisch nützlich. Damit geben sie dem Patienten nicht vor, was er konkret zu glauben oder zu tun hat. Es ist nicht die Aufgabe des Psychiaters dem Patienten zu empfehlen, fünf Mal am Tag zu beten oder am Sonntag in die Kirche zu gehen. Aber er kann den Patienten fragen, was für ihn wirklich wichtig ist. Und das Wahre, Schöne und Gute ist etwas, womit die meisten Menschen etwas anfangen können. Manche fühlen sich mehr zum Wahren, andere zum Guten oder Schönen hingezogen.  

Die Transzendentalien gehen auf den griechischen Philosophen Platon zurück. Ebenso in der antiken Philosophie beheimatet sind die vier Kardinaltugenden Tapferkeit, Weisheit, Gerechtigkeit und Mäßigung. Diese sind so grundlegend, dass sie praktisch kulturunabhängig begreifbar sind.

Dann sind die drei theologischen Tugenden zu nennen, die auf Paulus zurückgehen. Diese sind Glaube, Liebe und Hoffnung. Der zehnte, aber grundlegendste Wert ist die Freiheit. Die Freiheit ist die Bedingung dafür, dass sich die Ideale und Tugenden eines Menschen überhaupt entfalten können.

Auf das Gewissen hören

Das Herz trifft die Entscheidungen auf der Grundlage von Werten. Es kann die Werte aber nicht vorgeben. Darum sollte man nicht auf sein Herz, sondern auf sein Gewissen hören. Das Gewissen erkennt das Wahre, Schöne und Gute. Es ermöglicht uns, Werte mit Handlungen zu vergleichen. Wenn wir genau hineinhören, sagt es uns, ob wir nach unseren höchsten Werten und Prinzipien leben.

Gewissensbisse oder Schuldgefühle sind nicht an sich schlecht. Sie signalisieren uns, dass wir uns selbst prüfen sollten und regen somit zur Selbstreflexion an. Das Gewissen unterscheidet zwischen Gut und Böse. Das Herz trifft die Entscheidungen für das Handeln. Mit einem reinen Gewissen und einem starken Herzen steht einem erfüllten Leben nichts im Weg.

Erfahren Sie mehr zu diesem Thema in Dr. Bonellis Buch Die Weisheit des Herzens.

Bildquellen
RPP / Canva.
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