Junge Frauen verpassen die Chance ihres Lebens

  • Redaktion
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Taylor Swift und Dr. Raphael Bonelli haben eines gemeinsam: Ihre Analysen des heutigen Zeitgeistes stimmen im Kern überein. Swift singt und Bonelli schreibt über das Unvermögen vieler Menschen, anzukommen. Junge Frauen sind besonders betroffen und werden in Swifts Liedern betrauert. Doch Bonelli beklagt diesen Zustand nicht nur, er empfiehlt auch konkrete Strategien, um seinen Platz im Leben zu finden. Denn die Kunst des Ankommens, so Bonelli, lässt sich erlernen. Ein Schlüssel auf dem Weg zur Erfüllung liegt im „Kairos“, der Gunst des Augenblicks.

Träume und Traumata

Für Millionen von Millennials ist die Popsängerin Taylor Swift eine Ikone. In ihren Liedern besingt Swift die kollektiven Träume, aber auch die Traumata ihrer vorwiegend weiblichen Fans. Die vorherrschende Kultur des Westens redet jungen Menschen ein, dass romantisches Glück möglich und erstrebenswert sei bevor sich zwei Menschen das Ja-Wort schenken. Die Leidtragenden dieser großen Lüge sind insbesondere Frauen. Ihre Möglichkeit, eine erfüllende Partnerschaft einzugehen und eine Familie zu gründen, rückt mit jeder „Situationship“ weiter in die Ferne.

Dennoch haben Swifties – wie ihre Fans genannt werden – den Traum nicht aufgegeben: den Traum, einen guten Mann zu finden, ihn zu heiraten und Kinder zu haben. Entgegen ihrer eigenen ernüchternden Erfahrung singt die 34-jährige Swift noch immer von „Ringen und Wiegen“ (rings and cradles), „Kinderwagen“ (strollers) und „heiraten“ (gettin‘ married).  

Swifts Lieder vermitteln somit eine vage Hoffnung auf ein klassisches Familienideal. Doch ihr Mitgefühl gilt letztlich der jungen, hilflosen Frau, die sich als Opfer des „Patriarchats“ – einer von „toxischen Männern“ dominierten Welt – begreift. Denn als solche versteht sich Swift selbst, wenn sie in ihren Liedtexten immer wieder Erinnerungen des Sitzen-gelassen-werdens thematisiert. Die traumatische Erfahrung verfolgt die Betroffene und hält sie als Geißel in der Vergangenheit fest.

Swifts Song „Right Where You Left Me“ bringt diesen Gemütszustand auf den Punkt:

I’m sure that you got a wife out there
Kids and Christmas but I’m unaware
Cause I’m right where . . .
You left me
You left me no . . .
You left me no choice but to stay here forever

Swifts Musik kommt bei ihren Fans an, weil auch sie auf das große Ankommen hoffen. Doch im Kontrast zu den leichten, unbeschwerten Melodien bleibt der Knoten von Traum und Trauma in Swifts Liedern stets ungelöst. Die Sehnsucht bleibt unerfüllt.

Die namenlose Ideologie des sanften Missbrauchs

Oberflächlich gesehen scheint das Beziehungsverhalten von Männern das ausdrückliche Ziel von Swifts Unmut zu sein. Doch wenn man genau hinhört, gibt es einen anderen, subtileren Gegner. Dieser Gegner wurde von ihrer Generation so stark verinnerlicht, dass es ihr schwerfällt ihm einen Namen zu geben: sexuelle Freizügigkeit. Die Spannung zwischen der unangreifbaren und idealisierten „freien Liebe“ einerseits und der immer wieder enttäuschten Sehnsucht von jungen Frauen nach einer authentischen Beziehung andererseits zermürbt die Seele. Das blumige Klischee von Romantik ohne Verbindlichkeit wird von der harschen Realität immer wieder gesprengt.

Junge Frauen sind aber nicht nur Opfer, sondern Komplizen im Trend der Freizügigkeit. Wehmütig singt Swift in ihrem Song Happiness: “No one teaches you what to do / when a good man hurts you / And you know you hurt him too.”  Swift thematisiert wie kaum eine andere Sängerin das Dilemma des sanften Missbrauchs: Beziehungen sind zum Freipass für das gegenseitige Benutzen geworden. Diese zynische Haltung zur Liebe wurde durch die sexuelle Revolution zur Routine. Die radikale Kurzlebigkeit von Beziehungen wird im Namen des „Konsens“ ermöglicht. So stürzen junge Menschen von einer Trennung in die nächste.

Swifts Mega-Konzerte sind Momente der kollektiven Erinnerung und der weiblichen Katharsis: All die aufgestauten, unterdrückten Emotionen – lähmender Schmerz, Wut und eine hartnäckig optimistische Sehnsucht – werden musikalisch inszeniert und in einem leidenschaftlichen Akt der Solidarität offen ausgesprochen.

Eine Ahnung von Ankommen

2012 schrieb Swift eines ihrer beliebtesten Lieder. Es trägt den Titel „All Too Well“. In dieser Trennungs-Hymne für die Ewigkeit thematisiert sie den zerbrochenen Traum einer jungen Frau von wahrer Liebe. In den ersten Zeilen beschreibt sie eine leise Ahnung vom Ankommen zuhause:

I walked through the door with you
The air was cold
But something about it felt like home somehow (…)

Swift reflektiert nostalgisch über ihre erste „magische“ Liebesbeziehung, die ein „Meisterstück“ hätte werden können, doch im Trennungsschmerz erstickte. Zurück bleibt das Gefühl, benutzt worden zu sein:

And you call me up again just to break me like a promise
So casually cruel in the name of being honest
I’m a crumpled up piece of paper lying here
’Cause I remember it all, all, all
Too well (…)

Die Erwartungen von einer unverbindlich-zwanglosen Beziehung („secret“) einerseits und einer dauerhaften Bindung („oath“) andererseits sind letztendlich unversöhnlich. Doch der Versuch des Unmöglichen verlangte als Opfer die Unschuld („innocence“). Somit ging die Echtheit der ersten Liebe in die Brüche und kann nur in der Erinnerung weiterleben:

It’s supposed to be fun turning twenty-one (…)
’Cause there we are again when I loved you so
Back before you lost the one real thing you’ve ever known
It was rare, I was there, I remember it all too well

Der Verlust der Unschuld, den Swift ihrem Publikum so eindringlich verdeutlicht, sieht die heute vorherrschende Kultur als Übergangsritus, als Grund zum Feiern. Swift selbst jedoch betrauert diese Erfahrung ausdrücklich. So macht sie unterschwellig auf den hohen Preis aufmerksam, den junge Frauen für sexuelle Freizügigkeit zahlen.

Verkitschte Vorstellungen von Liebe stehen dem Ankommen in der Liebe im Weg, schreibt Dr. Bonelli in seinem Buch Die Kunst des Ankommens. Selbstverständlich gehören Sex und Liebe zusammen. Aber: „Sex in der Agape [d.h. der schenkenden Liebe] ist in Wirklichkeit der schönste und innigste Sex – wenn auch vielleicht nicht immer der wildeste und aufregendste.“ Agape ist die Liebe, die nicht aus dem Bauch, sondern aus dem Herzen kommt. Erst die schenkende Liebe ermöglicht eine langfristige und erfüllende Partnerschaft.

Kairos: Die Gunst der Stunde

Verbindlichkeit ist ein wesentlicher Aspekt, um anzukommen. Doch genauso wichtig ist der erste Schritt, also im richtigen Moment, die richtige Entscheidung zu treffen. Eine Gelegenheit beim Schopf zu packen, wenn sie sich bietet. Und dann zu seiner Entscheidung zu stehen.

Im Englischen spricht man vom window of opportunity, dem Fenster der Gelegenheit. Ein schönes Bild, denn es beschreibt ein Fenster, das einem nur kurz geöffnet ist, aber völlig neue Perspektiven auftun kann. Man muss auf den Zug aufspringen, bevor er abfährt. Das gilt für Studien- und Arbeitsplätze genauso wie die Möglichkeit einer Ehe. Doch Augenmaß und innere Vorbereitung sind nötig, um die Gunst der Stunde zu erkennen.

Dr. Bonelli schreibt über die Wahrnehmung des richtigen Zeitpunkts:

Was den angekommenen Menschen ausmacht, ist seine Fähigkeit, im konkreten Moment zu erkennen, was das Richtige ist. Zu wissen, wann er wie handeln muss. Diesen richtigen Zeitpunkt nannte man in der Antike Kairos. Die Fähigkeit, die damit in Verbindung steht, ist „Eine günstige Gelegenheit für eine Handlung nutzen“ oder anders formuliert: „Das Richtige zur richtigen Zeit tun“.

In Die Kunst des Ankommens stellt Dr. Bonelli „14 Regeln für das Ankommen“ vor. Regel. Nummer 1 lautet: „Erwarte den Kairos und bereite dich vor.“ Im Buch wird ausführlich dargelegt, wie man sich auf entscheidende Momente des Lebens vorbereitet. Kapitel 11 behandelt, wie man eine erfolgreiche Partnerschaft führt.

Liebe, Partnerschaft und Familie bilden eine wesentliche Säule des Ankommens. Anstatt verlorenen Chancen und Enttäuschungen nachzutrauern, blickt Dr. Bonelli nach vorne. Er empfiehlt praktische Schritte, um die eigene Kompassnadel auf eine bessere Zukunft einzunorden. Die Kunst des Ankommens bereitet ihre Leserinnen und Leser auf ein wunderbares Abenteuer vor. Ein Abenteuer der Heimkehr, in dem die Liebe garantiert nicht zu kurz kommt.

Bildquellen
DanaTentis, https://pixabay.com/photos/woman-brunette-lying-down-rest-2003647/
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